24.9.2015 - Interlaken 4. Tag
"Es gibt keinen Erleuchteten Menschen, nur Erleuchtung" Buddha
Schnee! Als ich aufwache sind die Gipfel und Bergkämme der Umgebung tatsächlich Schnee bedeckt. Der Regen von gestern hat sich verzogen und es steht ein sonniger Tag bevor. Größtenteils verbringe ich ihn gemütlich lesend auf meinem Balkon. Ich hatte überlegt, per Schiff zu den Beatushöhlen zu fahren, aber als ich die Schuhe anziehe um das Haus zu verlassen, bekehrt mich der Schmerz mal wieder zum friedlichen lesen.Meine Wunden sind am verheilen, statt der 9x10cm Wundauflage reichen inzwischen 3x4cm. Das ist zwar ein deutlicher Fortschritt, aber eindeutig nicht gut genug um die restlichen 200km in Angriff zu nehmen.
Somit bleibt nur die Fahrt nach Hause anzutreten. Leider ist das Internet im Hapimag mal wieder so dermaßen miserabel langsam, dass es nichtmal reicht um ein Bahnticket zu buchen. Es steht also doch noch ein abendlicher Ausflug an, bei der großen Amerikanischen Fastfoodkette hoffe ich fündig zu werden. Eine Cola und eine Apfeltasche bestellt und ... Tja, Pech gehabt. Handy liegt im Hapimag und für das kostenlose Internet braucht man einen per SMS zu empfangenden Code. Als ich auf dem Tablet mein Datenroaming aktiviere, fällt mir auch auf, dass es mit 2€ sowieso günstiger als meine Apfeltasche und Cola gewesen wäre. Naja, egal. Ich finde einen Sparpreis für Freitag morgen für 110€ in der ersten Klasse, statt 124€ in der 2. Klasse. Leider finde ich auch mit Tricks wie z.B. statt Ohne Ermäßigung (58CHF)von Interlaken bis Basel zu fahren, einfach einen Sparpreis der DB nach Freiburg zu buchen (ab 19€, für morgen hätte es noch für 44€ gegeben) keinen vernünftigen Preis mehr um am Samstag von Basel nach Köln zu fahren, somit entfällt leider auch ein kurzer Besuch bei der Familie auf dem Heimweg. Es lebe mal wieder das Chaos der Deutschen Bahn.
Immerhin gibt es zu meinem Abschied noch etwas tolles im Fern-Sehen: Auf meinem Rückweg erlebe ich einen fantastischen Sonnenuntergang mit hoch stehendem Mond an der Jungfrau. Ich bleibe eine Weile gemütlich sitzen und genieße. Im Nah-Sehen sorgen derweil diverse asiatische Familien mit ihren Kameras für Unterhaltung.
Als es mir kalt wird, spaziere ich noch ein bisschen weiter und komme an der Kirche vorbei. Der Pilgerstempel bleibt mir ja natürlich vorenthalten, aber anschauen kann man ihn ja schon mal, schließlich werde ich den restlichen Weg nach Genf definitiv so bald wie möglich nachholen.
Auf dem Rückweg komme ich an einem Antiqutäten- und Souvenierladen vorbei, der auch um kurz vor 21:00 noch geöffnet hat. Eine Tafel davor wirbt mit "SD-Karten, Batterien, ..." Ich habe bisher im Supermarkt vergessen Batterien für meine Tastatur zu kaufen, also betrete ich den Laden. Eine Horde Asiaten ist gerade dabei wild gestikulierend an der Kasse mit der Verkäuferin und ihrem Mann zu verhandeln. Auf Englisch? Deutsch? Chinesisch? So genau lässt sich das nicht feststellen. Ich schaue mich im Laden etwas um, um zu warten bis Ruhe eingekehrt ist. Der Mann löst sich von dem Gefuchtel und fragt mich, ob er mir helfen kann - auf Englisch. Ich sage, dass ich Batterien suche - auf Deutsch. Er scheint kurz überrascht und zeigt auf ein Regal hinter seiner Frau und bittet mich kurz zu warten. Als die Asiaten dann gegangen sind, sagt er zu seiner Frau, "Er braucht Batterien" und zeigt auf mich. Sie holt eine Kiste aus dem Schrank hinter ihr und fragt ihren Mann, was ich denn für Batterien bräuchte. Der Antwortet daraufhin nur "Er spricht Deutsch" und verschwindet in den tiefen des Ladens. Für 2CHF bekomme ich 4 AAA Batterien, ohne Verpackung in einem kleinen Plastiktütchen.
Den Abend verbinge ich gemütlich auf dem Sofa und denke über die letzten 13 Tage nach. Einerseits bin ich traurig, dass ich es nicht bis nach Genf geschafft habe, andererseits freue ich mich auf zu Hause. Und ich habe es auf alle Fälle deutlich weiter geschafft, als all jene, die sich nicht aus der eigenen Haustüre trauen. Ich habe einiges gelernt unterwegs und kann auf etliche interessante Begegnungen zurückblicken. Ich kenne jetzt alle möglichen Markennamen und Typen von Verbandszeug und Wundauflagen (empfehlensewert: DermaPlast, nicht so gut 3M - bekannt vor allem durch Kleber der hält wie Beton und ich kann verraten, das ist nichts, was man auf der Haut haben möchte). Ich komme mit je 4 T-Shirt, Socken und Unterhosen, sowie 3 Hosen und 2 Pullovern völlig aus und mein Barthaar ist nach 13 Tagen ohne raiseren etwa 6-8mm lang.
Die Zitate am Anfang jedes Eintrages stammen aus "Buddha für die Handtasche" von Susanne Seethaler. Sie sind wirklich jeden morgen zufällig gezogen, gemischt habe ich die Karten zu Hause bei der Abreise.Die Software für diesen Blog ist 7 Tage vor der Abreise selber geschrieben. Ich hatte gehofft unterwegs noch einige Verbesserungen einbauen zu können, das scheiterte aber größtenteils daran, dass es inzwischen unmöglich ist auf ungerooteten Android Geräten HTML und Javascript zu debuggen.Ausgegeben habe ich im Schnitt wohl so um die 50CHF / Tag. Der Tag auf dem Rothorn war sicher der teuerste. Aber es zeigt sich, dass man auch im Hochpreisland Schweiz abseits der Pilgerherbergen recht günstig übernachten kann und man bei Schlaf im Stroh nicht nur die Landwirte statt der Hotelindustrie unterstützt, sondern nicht mal unbedingt im kratzigen Stroh liegen muss. Am Freitag morgen gönne ich mir noch ein Frühstück im Hapimag für 15CHF, bevor es zum Bahnhof geht. Es gibt zwar unter anderem den gleichen abgepackten Schmelzkäse wie im Hostel beim 8CHF Frühstück und die Reste vom Raclettekäse vom Mittwochabend, aber insgesamt ist Preis/Leistung angemessen. Einen großen Pluspunkt gibt es für die Kaffeekanne auf dem Tisch, das erspart der Bedienung einiges an gerenne und stellt mir die Versorgung mit Kaffee ohne unnötige Durststrecken sicher. Beim auschecken höre ich noch, wie sich die Schweizer Rentnerin vor mir über die Asiaten beschwert, die so "unhöflich und rücksichtslos" seien. Die Rezeptionistin sieht das etwas anders, "Ohne die würde es hier gerade ganz düster aussehen." Damit endet dieser Blog fürs erste, aber seid gewiss, die letzten 200km gehe ich sobald als Möglich an.