18.9.2015 - Kloster Ingenbohl
"Das was ihr für die Wirklichkeit haltet, ist nicht die wahre Wirklichkeit. Ihr seht sie nur durch einen Schleier, verdüstert, verdunkelt, getrübt."Buddha
Endlich mal gut geschlafen! Schnell mit dem Lift ab ins Duschgeschoss. Das ist der Dachboden, der wirklich nur mit dem Lift zu erreichen ist und die Waschküche und dusche beheimatet. Ein ordentliches Frühstück gab es auch wieder. Danach hole ich oben kurz meine Sachen. Die Wirtin und der Wirt verabschieden mich aufs herzlichste und geben mir einen Beeren- und Früchte Riegel mit. Es regnet noch ein wenig, weswegen ich heute mit den Wanderstiefeln los marschiere. Aber der Regen lässt schnell nach, als ich aus dem Haus komme.
Es geht durch Einsiedeln durch, dann am Bach entlang das Tal immer auf die Mythen zu, bis nach Alpthal. Meine Füße tun immer noch ordentlich weh, aber es lässt sich halbwegs aushalten, ich laufe gemächlich. Nach Alpthal geht es dann steil Aufwärts. Die heutige Etappe kommt über den höchsten Punkt des Schweizer Jakobsweg, den Haggenegg. Ich quäle mich also 400 Höhenmeter nach oben. Unterwegs beginnt es wieder leicht zu regnen, die Pausen entfallen entsprechend kurz aus. Die Temperatuen heute sind äußerst unangenehm. Einerseits ist es kalt (10 Grad) andererseits schwitze ich beim Aufstieg und es tröpfelt. Ein frohes Spiel aus Jacke an, Jacke aufmachen, Pullover an, Pullover aus ergibt sich ... Und natürlich muss dazu jedes mal der Rucksack abgesetzt werden.
Als ich oben an ankomme, sind die beiden Mythen komplett im Nebel versunken. Immerhin auf das Tal hab ich ein wenig Aussicht. Das Restaurant Haggenegg lasse ich links liegen. Es wäre meine zweite Übernachtungsmöglichkeit heute gewesen (die erste in Alpthal, falls gar nichts gegangen wäre). Aber es ist erst 13:00 und meine Füße sind halbwegs in Ordnung oder ich spüre den Schmerz gerade nicht so. Ich mache mich also ohne Große Pause wieder an den Abstieg nach Schwyz. Dort wartet in 2h die nächste Übernachtungsgelegenheit, danach noch eine weitere 1,5h entfernt in Brunnen.
Ich komme an einer Jagdhütte mit einem Brunnen vorbei und fülle dort meine Flaschen. Langsam... Sehr langsam... Die Quelle legt eine fast schon klischeehafte Schweizer Gemütlichkeit an den Tag. Dabei fällt mir ein, dass ich mich heute wieder nicht an mein gestern Abend ausgedachtes 2/10-1-System gehalten habe. 2h oder 10km laufen, 1h Pause. Aber ich fühle mich noch fit und gehe dann auch direkt nachdem mir die Quelle in 12 min 1,5l Wasser aufgefüllt hat weiter.
Es geht auf nassem, rutschigem Schotter oder matschigem Waldboden Abwärts. Vom 1435m hohen Haggenegg zurück zum 430m hoch gelegenen Vierwaldstättersee. Die ganzen quallvoll erkämpften Höhenmeter seit Rapperswil wieder weg, welch Verschwendung! Inzwischen tun mir auch die Füße wieder mehr weh.
Am Hauptplatz Schwyz finde ich schon eine Tafel mit Informationen für Pilger. In diversen Restaurants gibt es 15-25% Rabatt und es gibt drei Herbergen. Aber es ist erst etwa drei Uhr. Ich beschließe weiter zu gehen. Nach Brunnen zur Pilgerherberge Kloster Ingenbohl sind es nur noch 1,5h. Im Internet sehe ich, dass das dortige Kloster um Voranmeldung bittet, also schreibe ich der Schwester kurz eine E-Mail.Es geht durch Schwyz, an der Victorinox Fabrik vorbei, weiter hinab ins Tal. Leider immer entlang der Straße. Von den Bergen kommen dunkle Wolken herunter. Das sieht böse aus. Auch mein Fuß tut mehr und mehr weh. Endlich sehe ich mal wieder ein Wanderschild. Allerdings nur eins mit dem Wanderer-Symbol, das nach rechts abzweigt. Ich weiß aber von Google Maps, dass das kloster auf der Linken Straßenseite liegt. Naja, ich habe keine Lust weiter der Hauptstraße zu folgen und biege nach rechts ab. Es geht am Ufer der Mouta entlang. Und in diesem Moment beginnt es auch zu tropfen. Ich denke, ich bin spätestens in 20-30 min am Kloster, also lasse ich den Regenschutz für den Rucksack eingepackt. Ein Fehler. Nach kurzer Zeit beginnt es aus allen Kübeln zu schütten. Der Weg entfernt sich auch immer mehr vom linken Ufer. An einer Eisenbahnbrücke kommt endlich wieder ein Wegweiser mit Zielnamen. Dummerweise nur nichts von Jakobsweg, Ingenbohl, oder Kloster. Ich stelle mich kurz unter und schaue auf dem Handy. Tatsächlich, der richtige weg ist der, in den als einziger kein Schild zeigt. Ich muss irgendwo eine Abzweigung verpasst haben. Immerhin sind es nur noch 15 min zum Koster. Tropfend laufe ich weiter. Schwer zu sagen, ob die Feuchtigkeit im T-shirt Schweiß, oder Regen ist, aber ich bin Nass. An den Füßen fühle ich auch eine neue Blase. Super. Nach einiger Zeit erreiche ich eine Fabrik mit einem Großen Vordach. Ich stelle mich unter und trinke meinen letzten Liter Wasser. So ist wenigstens der Rucksack ein Kilo leichter. Ich schaue nach E-Mails und tatsächlich, "Lieber Pilger, Sie können gerne bei uns Übernachten. Auf Wiedersehen, Schwester Anna Theresia". Immerhin das ist also geklärt. Es hört aber nicht auf zu regnen, also gehe ich nach 10 min gemütlich weiter.Am Kloster angekommen (natürlich auf einem Hügel) Irre ich erstmal umher und sorge mit meinem Klatschnassen Zustand für Besorgnis und Staunen bei einigen der allesamt sehr sympathischen und fröhlichen Schwestern, bis ich das Pilgerhaus finde (natürlich unterhalb des Hügels).
Schwester Anna Theresia begrüßt mich und zeigt mir alles. Im Waschraum gibt es zwar keine Waschmaschine aber immerhin eine Schleuder zum trocknen. Oben gibt es 4 Zimmer mit 1-4 Hochbetten. Ich bin der erste Gast und komme so in den Genuss des Zimmers mit nur einem Hochbett. "Schauen Sie mal", sagt Schwester Anna Theresia und zeigt auf das Fenster. Es hat aufgehört zu regnen und die Sonne strahlt! Ich gehe kurz duschen und meine Wunden, Blasen und Beulen verarzten. Im Rucksack ist, obwohl ich den Regenschutz nicht drüber gezogen habe, alles trocken! Unten erwartet mich dann schon Schwester Anna Theresia mit Tee und Knabberzeug. Als ich bezahlen möchte, merke ich jedoch, dass ich am morgen in Einsiedeln mein letztes Bargeld für das Hotel ausgegeben habe. Mist. Karten akzeptiert das Kloster natürlich nicht, also steht mir nochmal ein 30 min. Marsch in den Ort und zurück bevor. Naja, so kann ich mir noch ein wenig zu essen holen. Die Schwester zeigt mir auf der Karte absolut alles was es in Brunnen gibt und auch wie ich morgen zum Schiff komme. Sie bietet mir sogar ihr Fahrrad an! Ich humple aber dennoch zu Fuß hin, in den Sneakern geht es ja halbwegs und die waren heute den ganzen Tag im Rucksack. Am Bahnhof hebe ich kurz Geld ab und hole eine Kleinigkeit zu essen.
Zurück im Kloster, setze ich mich in den Aufenthaltsraum zum schreiben. Schwester Anna Theresia bringt mir Tee, Nachtisch und Knabberzeug. Wir unterhalten uns noch ein Stündchen. Ein sehr schöner Abend!
Dennoch ärgere ich mich, dass ich eine neue Blase habe und Klatschnass wurde. Und ich bin absolut sicher, dass es die Strafe dafür ist, dass ich meine Lektion aus dem Ruhetag von gestern nicht gelernt habe und wieder eine 23km Etappe marschiert bin, statt gemütlich bei Sonnenschein und mit akzeptablen Füßen den Tag zu beenden! Morgen also nur eine kurze Etappe auf der anderen Seite des Vierwaldstättersees.
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