17.9.2015 - Einsiedeln, 2. Tag
"Möge kein Wesen unglücklich, behindert, krank, entmutigt, missachtet, geängstigt sein." Shantideva
Mal wieder mehr schlecht als recht geschlafen. Die Glocken des Klosters bimmeln jede viertel Stunde. Und damit meine ich JEDE! Und natürlich zur vollen Stunde nochmal länger. Das letzte mal zähle ich um 4 die Glockenschläge, dann schlafe ich irgendwann doch ein.Nach dem aufwachen begutachte ich erstmal wieder die Wunden. Sieht schon deutlich besser als gestern Abend aus. Meine Stinkesocken wasche ich dann doch kurz im Waschbecken, so sind sie morgen früh hoffentlich trocken.Noch ein neuer Verband drauf und runter zum Frühstück.
Am Tisch sitzt eine Asiatin. Sie erzählt, dass sie alle 2 Monate von Kloster zu Kloster fährt und den Mönchen und Nonnen Vitamine und Medikamente bringt. In der Schweiz seien die Orden zwar relativ reich, aber die Schwestern sähen es oft nicht ein, für Medikamente und insbesondere Vitamine Geld auszugeben.
Obwohl ich heute eigentlich einen Ruhetag machen möchte, kann ich es natürlich doch nicht lassen und mache mich nach dem Frühstück auf den Weg zum Kloster. Mein Stempelchen möchte ich auf jeden Fall abholen. Und da ich als die Oma noch lebte, jedes Jahr einmal nach Einsiedeln mit ihr fahren musste, ist es auch obligatorisch, ein Kerzchen für sie anzuzünden. Bei meinem Lauftempo heute, wird mich sicher so manche Oma um das Kloster herum locker abhängen.
Sieht das Kloster von außen noch recht bescheiden aus, erschlägt einen beim betreten der Klosterkirche erstmal der Barocke Prunk. Fotografieren ist leider verboten und im Gegensatz zu einigen anderen in der Kirche, respektiere ich diesen Wunsch, daher sind die Bilder zur Kirche aus einem kleinen Prospekt abfotografiert.
Ins Auge sticht die mit kostbarem schwarzen Marmor ummantelte Gnadenkappelle. In ihr findet sich die "Schwarze Madonna". Dies ist eine Marienstatue, die im Laufe der Zeit durch Ruß von Kerzen und Lampen schwarz wurde. 1803 wurde sie in Österreich restauriert. Dabei wurde die ursprüngliche weiße Farbe wiederhergestellt. Das erzürnte dann allerdings die Einsiedler Bevölkerung und so wurde die Madonna wieder schwarz bemalt. Wohl alles eine Frage der Gewohnheit.
Damit nicht die ganze Kirche schwarz statt weiß und bunt wird, sind alle 2 Jahre Reinigungsarbeiten für 2 Mio. CHF nötig. So wundert es dann auch nicht, dass die Opferlichter unter einer Art Dampfabzug stehen und laut Tafel "verkürzt" brennen.Beim verlassen der Kirche fällt mir noch ein Flyer "Die Glocken des Klosters Einsiedeln" auf. Um Spenden zur Sanierung der Glocken wird gebeten. Es gibt derer 12, sie verkünden nicht nur viertel, halbe und volle Stunden. Zwei werden bei aufziehenden Gewittern geläutet, eine begleitet den täglichen Gesang der Mönche und die große Glocke verkündet den Tod eines Mönches. Außerdem wird täglich eine andere Kombination und Abfolge geläutet. Die 630 Seiten umfassende Läutordnung legt diese fest, vom einfachen Tag der Fastenzeit über die Gedenk- und Festtage der Heiligen bis hin zu den Hochfesten des Kirchenjahres. "So kann der aufmerksame Zuhörer jeweils feststellen, was für ein Fest gefeiert wird". Vielleicht müsste man die Glocken weniger oft Sanieren, wenn man ihnen wenigstens Nachts eine Ruhepause gönnen würde?
Nächste Station ist der Klosterladen, hier bekomme ich mein Stempelchen. Der Klosterladen bietet alle nur vorstellbaren Devotionalien an. Außerdem gibt es ein großes Angebot an Klostererzeugnissen. Eine große Auswahl an Wein, wahlweise einzelne Flaschen oder gleich ganze Kisten, aber auch Brot, Gebäck, Schokolade, Tees, Honig und Schnapps. Hier finde ich auch einen kleinen Anhänger aus Bronze in Form der Jakobsmuschel und vervollständige so endlich mein Pilgerequipment.
Ich spaziere noch ein wenig über das Klostergelände, bis an die Koppel hinter dem Kloster, wo auf der Koppel im Hang die wohl ebenfalls berühmten vom Kloster gezüchteten Pferde grasen. Es beginnt zu regnen und so humple ich zurück Richtung Hotel. Um nicht noch extra in den Ort hinunter zu müssen, nehme ich mir beim Kiosk neben dem Hotel etwas zu trinken mit. Eine überschwänglich fröhliche Schweizerin kassiert und wünscht mir "e schöns dägli no"
Den Mittag verbringe ich dann brav im Bett, schone meine Füße, döse etwas, lese ein wenig. Dafür habe ich den richtigen Tag ausgesucht, es schüttet ohne Unterlass.
Am Abend wird es nochmal ein wenig Sonnig und der Hunger treibt mich endlich vor die Tür. Nebenan gibt es überbackene Canneloni mit Suppe und Salat für 17,80CHF Klingt halbwegs ok, aber erstmal zum Supermarkt und für morgen einkaufen und bei der Apotheke neue Pflaster holen.Auf dem Rückweg muss ich wieder an den Pilger denken, der mit 10CHF/Tag ausgekommen sein will. Ich schau also noch bei ein paar anderen Restaurants auf die Karte: Spaghetti mit Pesto 18CHF, Pizza ab 19CHF, Lasagne al Forno 19,80CHF, etc... Der Appetit vergeht mir und ich beschließe von meinem eigentlich für morgen Mittag gedachten Brot und Käse zu essen und setze mich dazu auf eine Bank im Park neben dem Hotel. Sofort werde ich von einer Schar Spatzen umringt, die sich gierig um jeden Krümel der mir herunter fällt streiten.
Zurück im Hotel beschließe ich mich wieder hin zu legen und noch ein wenig zu lesen.
Schöns dägli no - Zähler: 1