15.9.2015 - Rapperswil

"In steter Veränderung ist diese Welt. Wachstum und Verfall sind ihre wahre Natur. Die Dinge erscheinen und lösen sich wieder auf. Glücklich, wer sie friedvoll einfach nur betrachtet."
Buddha

Obwohl der Polter-Pilger heute Nacht ausblieb, hab ich die Nacht über kein Auge zugetan. Und um 6 klingelte der Wecker. Das erste mal. Die Snooze Taste verschaffte mir bis kurz vor sieben Ruhe im 5-Minuten-Takt. Dann gab es keine Ausreden mehr, ab zum Frühstück. Viel gab es nicht, aber alles was man braucht, Brot, Müsli, Joghurt, Käse waren da, frischer Kaffee kam an den Tisch. Noch schnell den Pilger Stempel geholt und los gings.

Kloster Es war ziemlich bewölkt und ein feuchter Dunst hing noch in der Luft. Heute gab es nicht das Auf- und ab von gestern, stattdessen ging es in einem fort aufwärts, vom auf 600m gelegenen Fischingen auf das 1100m hohe Hörnli. Der weg war gesäumt von Bauernhöfen. zahlreiche Katzen, Rinder und Schafe beobachteten mich zumeist misstrauisch. Nach gut zwei Stunden kam ich auf dem Hörnli an und nach dem genießen der Aussicht war ausgiebige Pause angesagt. Erstmal die Schuhe ausziehen, trinken, essen. Im Gegensatz zum Kloster war hier prima Empfang, also noch schnell die Bilder von gestern hochladen. Hörnli Ich wägte mich in froher Hoffnung, ab jetzt bis zum Zürich See nur noch bergab wandern zu müssen. Der Spruch Hoffnung währt am längsten, stellte sich in diesem Fall aber recht bald als falsch heraus... Nach meiner Pause ging es jedenfalls zunächst wieder schnurstracks nach unten.

Die Blasensituation hat sich beim Aufstieg heute morgen Akut verschlechtert, beim Abstieg war dann jedoch zumindest alles Schmerzfrei. In Steg angekommen, folgte der Weg dann der Nationalstraße. Zu meinem erstaunen ging es allerdings bergauf, der Fluss floss mir entgegen... Der Straßenbelag war mit den Wanderschuhen recht ungemütlich, also nutzte ich dann irgendwann die Gelegenheit, in meine Sneaker zu wechseln und hing die Wanderschuhe mit den Karabinern an den Rucksack. Das ging erstaunlich gut, bedeutete allerdings etwas mehr Gewicht auf dem Rücken. Am Bahnhof Fischenthal besorgte ich mir eine kleine Flasche Eistee vom Automaten am Bahnhof, mein 2l Sack und die 0,5l Flasche waren schon leer.

Während ich so laufe, denke ich darüber nach, dass ich vergessen habe einen Stein von Zuhause mit zunehmen und auch noch keine Muschel am Rucksack hängen habe. Genau während ich das tue, liegt auf dem Weg ein einzelner Stein. Mitten auf dem Weg, als einziger. Zwar nicht von zu Hause, aber immerhin, das Zeichen ist eindeutig, ich nehme ihn mit.

Fischental Es ging größtenteils der Straße und Bahnlinie entlang immer weiter durch das Fischental, bis dann irgendwann der Weg nach rechts abzweigte. Nach rechts oben natürlich. Wieder hinauf auf 850m. In dem Moment fing es auch leicht an zu tröpfeln. Mit meinen Wanderschuhen am Rucksack dürfte es schwierig werden, den Regenschutz über den Rucksack zu bekommen. Aber ich habe Glück, es bleibt bei leichtem Tröpfeln. Das ist auf jeden Fall deutlich angenehmer als die brennende Sonne gestern. Dennoch ein Zeichen, sich Gedanken, um die Unterkunft heute Nacht zu machen, es ist inzwischen auch schon 14:00 und Blasen-Bedingt ist der Gedanke auf die 16-18:00 Etappe zu verzichten ein sehr willkommener.

Bei der Suche nach einer Unterkunft auf meinen beiden Listen, stelle ich fest, dass zwar beide Listen die Preise mit A, B, und C kategorisieren, allerdings ist bei der einen Liste A die billigste Kategorie, bei der anderen C. Somit war die Übernachtung gestern im Kloster für 45CHF die teuerste Kategorie. Ich buche schnell übers Internet die Pilgerherberge Rapperswil für 20CHF (allerdings ohne Verpflegung - das relativiert die 45CHF von gestern deutlich) und folge fortan den Schildern zum Bahnhof Wald. Kurz nachdem ich den Jakobsweg verlassen habe, sehe ich dem Waldrand entlang ein aufgescheuchtes Reh springen! Endlich mal etwas anderes als der Gemeine Schweizer Hof- und Stubentiger! Der Weg zum Bahnhof zieht sich aber dennoch ordentlich in die Länge, zumindest kommt es mir so vor, denn inzwischen merke ich auch das Gewicht auf dem Rücken.

In Wald muss ich nochmal komplett durch den Ort zum Bahnhof. Dadurch komme ich aber immerhin an einem Migros vorbei und kann mir einen 1,5l Eistee und eine Schokolade holen. Man sieht den Mitarbeitern die Begeisterung an, als ich mich mit Sack und Pack durch die Regale schiebe, aber immerhin hat mich niemand angemeckert und ich nichts umgeworfen.

Bahnhof Wald Am Bahnhof angekommen warte ich 20 min auf die S-Bahn. Einmal umsteigen und insgesamt nur 3 Haltestellen später, bin ich um 16:00 in Rapperswil. Ich bin die ganze Fahrt über gestanden, um nicht den Rucksack abzusetzen und wieder hoch nehmen zu müssen. Die Pilgerherberge Rapperswil ist erfreulicherweise sehr nah am Bahnhof. Dort angekommen erstmal Schuhe aus. Am Eingang steht ein Schuhregal, bevor es die Treppe hoch in den ersten Stock geht ist Schuhe ausziehen obligatorisch. Durchaus verständlich. Während ich die Schuhe ausziehe, begrüßt mich schon die Herbergsmutter. Ob ich Holger sei, fragt sie. Bin ich nicht, aber Sie hat nur noch Holgers Anmeldung und meine noch nicht gesehen. Herberge Sie zeigt mir die Herberge und stellt mich den anderen Pilgern vor. Leider bin ich so gar nicht aufnahmefähig und möchte eigentlich nur die Klamotten von mir werfen, duschen und meine Blasen verarzten, aber da muss ich wohl zuerst durch. Es sind schon zwei schwäbische Pilgerinnen und ein Badener Pilger da. Die Sprache kommt darauf, woher wir gerade kommen. Als ich Fischingen sage, klappt im Kollektiv erstmal die Kinnlade herunter (35km). Ich relativiere, dass ich auf das letzte zwei Stunden-Stück keine Lust mehr hatte und mit der Bahn von Wald nach Rapperswil gefahren bin. Dass es Pilger gibt denen das missfällt war mir klar, aber in dem Moment als ich es sage, mault der Badener Pilger herum, "das Zählt nicht", "das kann man nicht machen" ... Wie man nur so verbohrt sein kann, völlig ohne Kenntnis der Umstände so anzugreifen. Naja, mir egal. Er dampft ab in die Dusche und Holger ist inzwischen angekommen. Ein Mittelalter Deutscher, Typ Relilehrer. Während die Herbergsmutter ihn empfängt, packe ich mein Zeug aus. Er wählt das Bett neben mir. Die Herbergsmutter versucht, mich in das Gespräch über Packgewicht, Strecken und Co. zu integrieren, aber Holger ignoriert mich komplett. So kann ich wenigstens endlich duschen.

Zwei richtig fiese blasen hinten am Knöchel hab ich. Das vorsorglich angebrachte Pflaster hat nichts gebracht, ausser dass die Socke an der Blase klebt. Ich Wickel mir den aufgescheuerten Knöchel mit Verbandszeug ein. Während ich in der Dusche bin, fragt mich eine der beiden Pilgerinnen, ob sie für mich Spaghetti mitkochen sollen. Ich lehne Dankend ab, irgendwie hab ich noch keine Lust auf Gesellschaft und die erste Begegnung mit meinen mitpilgern gerade eben war ja nicht besonders berauschend.

See Nachdem ich fertig bin, geht es nochmal kurz an den See und bei Migros gibt es eine viertel Pizza Margherita für 10CHF. Ich bereue, dass ich nicht mit den beiden Pilgerinnen Spaghetti mit gegessen habe. Zum Nachtisch gibt es eine Apfeltasche, Cola und eine abgeschiedene Ecke mit wlan zum Blog schreiben bei McDonald's. Es ist erst 19:00 aber eigentlich möchte ich nur noch ins Bett fallen. Heute werde ich auf jeden Fall schlafen, egal wie laut Holger und Co schnarchen.

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